Oktober

Nun macht der Herbst Ernst.
Die Felder sind abgeerntet und auch im Garten kehrt so langsam Ruhe ein.
Die Laubfärbung beginnt, zuerst unmerklich mit einzelnen Ästen, deren Laub gefärbt ist.
Umso kälter die Nächte werden, desto schneller schreitet die Laubfärbung voran.
Die Tage jedoch sind, nach Nebelauflösung, meist in goldenes Licht getaucht und angenehm warm.

Es ist die Zeit, in der wir noch einmal draussen ordentlich Licht und Natur tanken können.Wandern Sie doch einmal zu einem alten majestätischen Baum, der sich jetzt noch einmal in seiner schönsten Pracht präsentiert. Viele Bäume haben jetzt auch Früchte, die man für die Gesundheit und auch zur Dekoration sammeln kann.
Interessanterweise hat man in jüngster Zeit festgestellt dass der Aufenthalt im Wald und bei Bäumen eine positive Wirkung auf unser Immunsystem hat. Unser Immunsystem reagiert auf die Stoffe, die Bäume ausdünsten, positiv. Dieses kann man sogar an Hand von Blutproben belegen, die man vor und nach Aufenthalt im Wald auswertet. Ich finde diese Forschungsergebnisse belegen auch die tiefe Beziehung des Menschen zum Wald und zur Natur.

 

Bäume wurden in fast allen Kulturen als Mittler zwischen Himmel und Erde verehrt. Sie wurzeln tief in der Erde und ihre Krone geht hoch in den Himmel. Ich möchte nun, wie der Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl es nennt, einige Häuptlingsbäume vorstellen, mit denen wir schon seit tausenden von Jahren eng verbunden sind.
Einige dieser Bäume sind in ihrem Bestand zur Zeit stark gefährdet. Zu nennen wären hier die Rosskastanien und die Eschen. Erstere werden massiv durch eingeschleppte Schädlinge, wie die Miniermotte, geschädigt und so geschwächt, das dann ein Pilz ihnen endgültig den Garaus macht. Auch die Eschen sind massiv von einem Pilz befallen und sterben Stück für Stück ab. Auch zwei Majestäten aus meinem Garten sind schon massiv betroffen und müssen leider gefällt werden. Daher gehören den beiden gefährdeten Bäumen auch die ersten Plätze in der Vorstellung der „Häuptlingsbäume“

 

Esche:

Die Esche ist ein Lichtbaum. Da die Krone nicht so dicht belaubt ist, dringen immer noch genügend Sonnenstrahlen auf den Boden. Sie liebt jedoch feuchte Standorte und hat aus diesem Grund in früheren Zeiten viel mit Wasserzauber zu tun, besonders bei den Kelten.
Eschen boten Schutz vor der Zerstörungskraft des Wassers. Um das Kentern ihrer Boote zu verhindern, war es bei den Fischern wichtig, dass einige Teile ihrer Boote aus Eschenholz gefertigt waren. Das Holz der Esche ist hart, zäh und gleichzeitig elastisch. Es eignete sich deshalb besonders zur Herstellung von Bögen, Lanzen und Armbrüsten. Der in der Mythologie bekannteste Speer wurde von dem Kentauren Chiron gefertigt. Dieser Speer,aus heiligem Eschenholz gefertigt, tötete Hektor im legendärem Kampf gegen Achilles vor den Toren Trojas.

In der nordischen Sagenwelt wird die Esche als Weltenbaum bezeichnet. Die Wurzeln dieser Esche durchdringen die verschiedenen Welten und verbinden sie miteinander. Tief unten an den Wurzeln sitzen die drei Schicksalsgöttinnen, die über das Leben der Menschen bestimmen. Eine spinnt den Lebensfaden, die Zweite misst in ab (Lebenszeit) und die Dritte schneidet ihn durch (Lebensende).
Für den Schamanengott Odin war die Esche ein Initiationsbaum. Neun Nächte hing dieser kopfüber in dem Baum und erfuhr auf diesem Weg das Geheimnis der Runen.

 

Kastanie:

Wer jemals im Sommer in einem Biergarten war, hat höchstwahrscheinlich unter dem ausladenen, schattigen Dach einer Rosskastanie sein Bier getrunken. Im Frühjahr kann man die wunderschönen Blütenkerzen bewundern. Sie sind ein Zeichen der Natur, dass der Sommer kurz bevorsteht. Ihre stacheligen Fruchthüllen geben im Herbst eine braun glänzende Frucht frei, die von den Wildtieren geliebt wird und auch sehr nahrhaft ist.
Auch Kinder lieben das Kastaniensammeln sehr. Kann man doch aus den Früchten nette Tiere basteln, die dann das herbstlich geschmückte Haus zieren. In meinen Jugendtagen konnte man auch Mengen von Kastanien sammeln. Man brachte sie ins Forsthaus und bekam als „Bezahlung“ Süssigkeiten, die zu Hause damals noch recht knapp bemessen waren.
Was für das Wild nahrhaft ist, ist auch für den Menschen in Notzeiten verwendbar. Es braucht jedoch aufwendige Verfahren, um die Saponine und Bitterstoffe aus dem Mehl zu entfernen. Die vorhandenen Saponine werden und wurden jedoch als Waschseife verwendet, die sehr gut fettlöslich ist.
Medizinisch wird die Rosskastanie als entstauendes und entwässerndes Mittel bei Venenleiden und Rheumatischen Erkrankungen benutzt. Das in der Kastanienfrucht vorkommende Aescin dichtet die kleinen Blutgefässe ab und stärkt die Gefässwände. Die getrockneten Blüten werden als schleimlösender Tee  bei Husten verwendet (ein Teelöffel auf eine Tasse Wasser).

 

Linde:

Wenn man durch ein Dorf fährt, kann man oft in dessen Mitte eine alte Linde bewundern. Sie war die Mitte des gesellschaftlichen Lebens. Man traf sich an der Linde zum Plaudern, Tanzen und Feiern. Ein Brauch der in meinem Dorf wieder auflebt, seitdem die Nachbargemeinde dem Heimatverein eine Linde geschenkt hat. Was nicht mehr stattfindet, ist das Dorfgericht unter der Linde. Hier hoffte man in früheren Zeiten auf ein „gelindes“ Urteil.
Da dieser Baum der Venus, oder bei den Germanen der Freya zugeordnet wurde, konnte man auch auf ein lindes Urteil hoffen.Die Tradition als Frauenbaum hat sich auch im Christentum fortgesetzt.

Auffällig viele Marienerscheinungen fanden bei einer Linde statt. Ein schönes Beispiel ist die wirklich beeindruckende Kirche in Swietka Lipka (ehemals Heiligenlinde. Allen Polen Entschuldigung, ich habe es bestimmt wieder falsch geschrieben!). Hier wurde nach einer Marienerscheinung eine Kirche um den Lindenbaum errichtet, der erstaunlich lange überlebt hat, jedoch dann von einem Baum aus Bronze ersetzt wurde.
Alles an der Linde ist lieblich: der Duft ihrer Blüten, die Herzform ihrer Blätter, der Lindenblütenhonig. Vielleicht ist deswegen Lindenblütentee bei Erkältung im Winter so heilsam.

 

Eiche:

Die Eiche ist das männliche Pendant zur Linde. Unter ihr wurden die schicksalsträchtigen Thingvesammlungen der Germanen abgehalten. Die Eiche war ihrem Donnergott Donar (Thor) geweiht. Donar war der Kriegsgott und der Gott der Blitze. Eichen stehen oft auf Kreuzungen von Wasseradern und sind mit diesen durch die tiefgehenden Wurzeln verbunden. Damit sind sie ein idealer Blitzableiter und werden dementsprechend oft vom Blitz getroffen. Das versinnbildlichte den Germanen die Anwesenheit des Gottes in diesem Baum. Die Germanen konnten erst dann (zwangsweise) zum Christentum bekehrt werden, nachdem der Missionar Bonifatius die Donareiche bei der heutigen Stadt Kassel fällen liess.
Auch die Kelten verehrten die Eiche. Auf ihr wuchsen die Misteln,  die unter strengen Ritualen von den Druiden geerntet wurden. Wichtig war, dass die Misteln nicht den Boden berühren durften, weil ihre Heil-und Segenskraft sonst verdorben wäre.
Die Eichen galten auch als heilig, weil sie im Herbst mit ihren Eicheln die Schweine mästeten.
Uns bekannt ist  der Kaffee aus gerösteten Eicheln, der Muckefuck. Ansonsten hat der Sud aus der Eichenrinde eine grosse Palette von Heilwirkungen. Sitzbäder helfen u.a.bei Hämorrhoiden,  Dammriss und Mastdarmfisteln. Als Umschlag ist es ein gutes Mittel gegen  Frostbeulen, Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre.

 

Buche:

Das Rauschen in einem Buchenwald wurde von den Sehern der Germanen als das Raunen der Götter gehört. Dieses Raunen wurde in Form von Runenzeichen in Buchenstäbe geritzt. Durch das Werfen dieser Buchenstäbe als Orakel, wurde der Willen der Götter kundgetan. Aus diesen Buchenstäben ist unser Wort Buchstabe hergeleitet.
Die zu grossen Teilen Nordeuropa bedeckenden Buchenwälder mit ihren hohen Kronen und säulenartigen Stämmen haben wohl auch als architektonisches Vorbild für gotische Kirchen gedient.
Eine wichtige Funktion für die Menschen haben auch die Früchte der Buche, die Bucheckern. Aus Ihnen konnte man ein sehr gutes Speiseöl herstellen. Der Rest, der Ölkuchen,  wurde zur Schweinemast verfüttert. Die Buchen bilden nicht jedes Jahr gleich viele Bucheckern. Ungefähr alle sieben Jahre kommt es zu einer überreichen Ernte, die aber einen harten Winter ankündigen soll.

 

Reiseziele zu aussergewöhnlichen Bäumen:

Hainich: ältester und grösster deutscher Buchenwald
Kalte Eiche bei Gera, 500 Jahre alte Solitäreiche zwischen Ernsee und Töppeln
Grabeiche in Nöbdenitz, Thüringen